Ethikunterricht statt konfessionsgebunder Religionsunterricht
Wie stark Religionen die verschiedenen nationalen Kulturen prägen wird daran kenntlich, dass das Schlagwort des „christlichen Abendlandes“ neuerdings wieder in den öffentlichen Medien kursiert.
Deutschland ist ein säkulares Land, dennoch gelten, soviel ich weiß, die Konkordatsgesetze von 1933 heute noch, die den christlichen Kirchen weitgehende Sonderrechte zugestehen: Es handelt sich hier um die sog. „hinkende Trennung“ von Kirche und Staat. Die nicht demokratisch legitimierte, aber dennoch existierende Macht der christlichen Kirchen ließ sich z.B. an dem Drama mit der Kermani-Preisverleihung ablesen.
Die Türkei ist wie Frankreich ein laizistischer Staat, in dem alle Religionsgemeinschaften aus dem öffentlichen Leben verbannt sind. Dennoch gibt es in der Türkei, soviel ich weiß, eine muslimische „Religionsbehörde“, die einen Ableger in Deutschland unterhält, der in der Islamkonferenz mit am Tisch saß und für die türkischen Muslime sprach.
Religionen können nicht integrationsfördernd sein, weil sie allesamt nicht demokratiekompatibel sind, abzulesen beispielsweise an der untergeordneten Rolle, die in ihren Systemen Frauen zukommen. Weil aber andererseits im Grundgesetz Deutschlands alle Religionen gleichgestellt sind, müssen wir entweder den Islam den christlichen Kirchen gleichstellen und mit allen Privilegien ausstatten, die die letzteren genießen, oder wir tun den historisch überfälligen Schritt und verweisen alle Religionen in die Privatsphäre des Einzelnen, wie es im französischen Laizismus schon lange praktiziert wird. Es bleibt den Gläubigen ja unbenommen, ob sie ihre Spiritualität innerhalb oder außerhalb einer Glaubensgemeinschaft leben, ob sie dafür ein Kopftuch oder einen Rauschebart tragen wollen oder es auch lassen.
Die christlichen Kirchen fürchten natürlich um ihre angestammten Pfründe und sind daher bereit, den Islam als eine mehr oder weniger gleichrangige Religion anzuerkennen, um das ganze System zu erhalten: Das war an der Pro-Reli-Bewegung in Berlin gut zu erkennen, in der die christlichen Kirchen mit hohem werblichem Aufwand dafür gekämpft haben, den konfessionsgebundenen Religionsunterricht an Schulen wieder einzuführen. Das scheiterte zum Glück an einem Instrument unserer Demokratie: Die Volksbefragung brachte zutage, dass die Berliner lieber ihren Ethikunterricht behalten wollten.
Ich plädiere dafür, dass wir auch in Frankfurt Ethikunterricht einführen und den konfessionsgebundenen Religionsunterricht abschaffen, denn nur wenn Kinder schon in der Schule etwas über andere Religionen erfahren und vor allem, wenn sie dabei erfahren können, dass es ganz viele Wege zu Gott gibt, werden sie anderen Formen der Religiosität mit Achtung und Verständnis begegnen können.
Ist jetzt etwas länger geworden, ist aus meiner Sicht aber auch wichtig…